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„IKEA ist wie ein tägliches Rockfestival“ – Interview mit Jesper Brodin

(15.04.2019) Jesper Brodin ist seit September 2017 CEO der Ingka Gruppe – in dieser Zeit hat der Schwede bereits 21 Länder bereist und über 60 IKEA Einrichtungshäuser besucht. Im Interview spricht der Vielflieger über seinen spannenden Beruf, überraschende Erkenntnisse, eine sehr persönliche Buchidee und wieso er einen PAX Kleiderschrank mit auf eine einsame Insel nehmen würde.

Viel unterwegs: Jesper Brodin reist in seinem Beruf rund um die Welt.

Wie viele Nächte hast du in Hotels verbracht, seit du CEO von Ingka bist?

Ich habe nicht mitgezählt, aber ich reise natürlich viel. Gleich in meinem ersten Monat bin ich drei Wochen lang um die halbe Welt gereist, habe neun Länder besucht, glaube ich. Dazwischen hatte ich einen Tag frei. Leider hatte ich nicht bedacht, dass zwischen zwei Terminen eine Datumsgrenze lag. Als ich von Kalifornien nach Japan reiste, war dieser Tag dann auch dahin. Bis heute dokumentiere ich alle meine Reisen. Ich habe 66 Einrichtungshäuser, neun kleinere Einheiten und mehrere Distributionszentren besucht. Für mich ist es wichtig, in der Realität zu sein, und die Realität liegt nun mal in unserem Kerngeschäft, der Begegnung mit den Kunden und dem Verständnis ihrer Herausforderungen im Alltag.

Wie viele Länder hast du inzwischen besucht?

Mittlerweile sind es 21. Unter anderem habe ich große Märkte wie Deutschland, die USA und Frankreich mehrmals besucht. Es ist wichtig, die Realität zu verstehen, wenn man in der Realität führen will. Eine faszinierende Sache ist – das wurde mir bei meinen Besuchen in vielen Ländern klar –, dass die Kundenbedürfnisse in 90 Prozent der Fälle gleich sind, ob nun in Polen, den USA oder in Japan, obwohl jedes Land seine eigene Kultur hat. Das und vieles mehr habe ich auf meinen Reisen gelernt.

Was hat dich am meisten beeindruckt?

Am beeindruckendsten war für mich die Konsistenz, hohe Dynamik und Energie in unseren IKEA Einrichtungshäusern. Ich habe viele gute Mitbewerber gesehen und sie mögen auch ein gutes Angebot haben, manchmal sogar zu guten Preisen, aber um ehrlich zu sein, finde ich sie schrecklich langweilig. Da ist keine Energie drin, kein Leben. Wenn man zu IKEA kommt, ist es zwar manchmal ein bisschen chaotisch, aber der Laden ist immer voller Menschen. Wie ein tägliches Rockfestival. Überall spürt man den tollen Teamgeist. Die Mitarbeiter ziehen an einem Strang, helfen sich gegenseitig und setzen Dinge effektiv um. Auch im digitalen Zeitalter dürfen wir nicht vergessen, dass unsere größte Stärke das Einrichtungshaus ist.

Was liebst du an deinem Job besonders?

Dass er einfach supercool ist und ich die Möglichkeit habe, Dinge umzusetzen, Teil einer Bewegung zu sein. Ich genieße es, zu den Wegweisern in die Zukunft zu gehören, die zusammen mit ihrem Team Ziele in die Tat umsetzen. Das Beste ist, wenn man zusammen mit sehr cleveren Menschen eine Situation betrachtet und über sinnvolle Veränderungen entschieden hat und dann die ersten Schritte in die Wege leitet. Manchmal ist das sehr schwierig, aber wenn sich abzuzeichnen beginnt, dass es funktioniert, ist das ein fantastisches Gefühl. Dann kann man nämlich sehen, dass wir uns verändern, uns in eine bessere Richtung entwickeln. Und ich denke, wir sind momentan auf einem Höhepunkt, an dem alles außer Kontrolle gerät – im positiven Sinne! Es kommt Bewegung in die Bereiche Kontaktpunkte, Digital und Fulfilment. Wir entdecken momentan viel Neues und erleben, wie sich Veränderungen flächendeckend durchsetzen. Das ist wirklich sehr schön zu sehen.

Welche drei IKEA Produkte würdest du mit auf eine einsame Insel nehmen?

Da wir bei IKEA leider keine Gitarren verkaufen, wäre das erste Produkt eine Komplettküche, ausgestattet mit ein paar Utensilien und Messern. Einen PAX Kleiderschrank, denn falls es dort gefährliche Tiere gibt, könnte ich mich darin verstecken. Und weil auch Services ein IKEA Produkt ist, würde ich den Lieferservice nutzen, um wieder von der Insel herunterzukommen.

Sport oder Sofa?

Ich verkaufe gern Sofas und mache gern Sport. Ich bin ziemlich aktiv und sportlich gut unterwegs.

Kaffee oder Tee?

Kaffee.

Hast du ein Lieblingsbuch?

Ich hatte in meinem Leben schon viele Lieblingsbücher. Als ich jung war und die Welt entdecken wollte, las ich gern Abenteuerromane. Vielleicht hat mich das beeinflusst. Seit einigen Jahren, seit ich in Asien gelebt habe, lese ich gern Somerset Maugham. Er hat viele Kurzgeschichten geschrieben und erzählt in einer Sprache, die einfach magisch ist. Seine Art, Geschichten zu erzählen, fasziniert mich. 

Wenn du ein Buch schreiben müsstest, wovon würde es handeln?

In den letzten 25 Jahren habe ich oft gedacht, dass ich gern mal ein Buch schreiben würde mit dem Titel „Reisen mit IKEA“. Ich habe so viele lustige Sachen erlebt, Menschen aus aller Welt getroffen und ganz tolle Erfahrungen gemacht. Vielleicht schreibe ich das Buch ja wirklich, wenn ich in Rente bin.

Als Versteck würde Jesper Brodin einen PAX Kleiderschrank mit auf eine einsame Insel nehmen.
Ein Tag als Politiker? Der CEO von Ingka würde mit Angela Merkel tauschen.

Was für ein Schüler warst du?

Die Schule fiel mir leicht, wahrscheinlich, weil ich mich schon immer für alles Mögliche interessiert habe. Ich lernte schnell und wollte alles genau verstehen. Ich hatte zum Glück gute Lehrer, sehr fachkundig und begeistert bei der Sache. Sie weckten meine Neugier. Meine Mutter erzählte mir mal, dass sie mich nach dem ersten Schultag fragte, wie es in der Schule gewesen sei. Ich sagte, es sei ok gewesen, aber ich wolle lieber nicht noch mal da hingehen... Sie sagte dann, das sei nur der erste Tag von mindestens 15 Schuljahren gewesen, und dass ich mich besser daran gewöhnen solle.

Wer war der Held deiner Kindheit?

Ich hatte viele Helden, habe sie regelrecht gesammelt! Nicht bewusst, aber irgendwann habe ich festgestellt, dass ich eine ziemlich große Heldensammlung hatte. Wenn ich in der Klemme steckte oder Angst hatte und nicht wusste, was ich tun sollte, überlegte ich mir, was meine Helden tun würden. Mein erster Kindheitsheld war wohl Tarzan. Ich wollte ein guter Junge sein und meine Eltern sogar davon überzeugen, mich in Tarzan umzubenennen. Als sie das ablehnten, war ich ziemlich enttäuscht.

Vollende folgenden Satz: Ich würde gern mal einen Tag lang tauschen mit...

Angela Merkel wäre cool. Es wäre eine tolle Führungserfahrung, Politiker in einem der tollsten Länder der Welt zu sein und so viel Einfluss zu haben. In so einem wichtigen Land etwas bewegen zu können, muss wirklich großartig sein.

Wann hast du zuletzt etwas Neues ausprobiert und was war das?

Das war zusammen mit meiner Familie. Wir sind zum Jahreswechsel nach Südafrika gefahren. Dort haben wir eine Safari gemacht, das war für uns alle neu. Wir verbrachten vier Tage in der Wildnis. Das war ein einzigartiges Erlebnis, viel aufregender und beängstigender, als man vielleicht denkt. Ich war davon ausgegangen, dass wir in einem sicheren Bus sitzen und nach draußen schauen würden. Aber wir fuhren in einem offenen Geländewagen quer durch die Landschaft und plötzlich wurde mir bewusst, dass wir im Grunde völlig schutzlos waren. Wir hatten einen kompetenten Guide dabei, dem wir vertrauten, aber wenn etwas passiert wäre, wären wir tatsächlich völlig schutzlos gewesen.

Welches Produkt sollte IKEA erfinden?

Im Bereich Nachhaltigkeit sollten wir unbedingt noch mehr entwickeln, weil wir hier tatsächlich etwas bewirken können. Wenn wir beispielsweise eine Alternative zum Gaskochfeld erfinden würden, wären wir das erste Unternehmen, das von sich sagen könnte, dass es komplett gasfreie Küchen verkauft. Weil aber viele gern mit Gas kochen, müsste die Neuentwicklung noch besser funktionieren als das herkömmliche Gaskochfeld.

Welchen Trend aus der Vergangenheit vermisst du überhaupt nicht?

In Bezug auf die gesellschaftliche Entwicklung würde ich sagen: Chauvinismus, Kolonialismus und Faschismus brauchen wir wirklich nicht. Die sollen lieber in den Geschichtsbüchern bleiben.

Wenn der Tag eine Stunde mehr hätte, was würdest du tun?

Ich würde die Stunde wahrscheinlich für mein liebstes Hobby nutzen: Gitarre spielen. Am Ende würde ich aber wohl doch etwas mit meinen Kindern machen. Ich habe drei Kinder im Teenageralter, und jeder Tag ist ein tolles Abenteuer, bei dem man nicht alles planen kann. Aber es gibt einem unheimlich viel.

Vielen Dank!

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Über die Autorin: Sabine Nold

Ich bin bei IKEA verantwortlich für Kommunikation und damit für all die spannenden Geschichten, die es hier jeden Tag zu erzählen gibt. Wenn ich nach einem Lieblingsprodukt gefragt werde, gerade ich immer in Bedrängnis: es gibt so viele. Da ich heimlich aber absolut stoffsüchtig bin und alles vernähe, was mir unter die Nadel kommt, üben die tollen bunten Stoffe bei IKEA natürlich eine magische Anziehungskraft auf mich aus. Mit den Händen zu arbeiten, ist für mich der ideale Ausgleich zu dem, was ich den Tag über tue. Viele Stoffe von IKEA erzählen dabei mit ihren Motiven Geschichten aus Schweden oder einfach dem Leben von Menschen, womit wir wieder beim Thema wären…